Die Ohnmacht dieser Generation war für einige Stunden gebrochen

Die Ohnmacht dieser Generation war für einige Stunden gebrochen
Ilu: Zoe Nogier

Willkommen. In dieser Kolumne werde ich euch mitnehmen durch meinen Aktivismus in verschiedenen Organisationen in der Klima-gerechtigkeits-Bewegung, durch meinen Alltag als junger Mensch, und allem, was sonst noch zum Leben dazu gehört. Wer ich bin? Schwierige Frage. Also fangen wir mal bei den Basics an. Ich heisse Cyrill Hermann. Ich bin diesen Herbst 19 Jahre alt geworden. Ich gehe in Zürich ins Gymnasium. Ich engagiere mich seit mehr als drei Jahren im Klimastreik. Ich wohne mit meiner Mutter und meinen Geschwistern in einer Wohnung in Zürich. Ich betreibe und unterrichte in meiner Freizeit Eiskunstlauf. Ich bin gerne mit meinen Homies in Zürich unterwegs, egal ob See, Theater oder chillige Bars. Wisst ihr jetzt, wer ich bin? Probably nicht. Aber wenn ihr wollt, könnt ihr mich in Zukunft auf meinem Weg als junger Mensch, durch alles, was mich ausmacht, begleiten und mich etwas besser kennenlernen.

Sonntag, 06.03.2023 – Rückblick auf den vergangenen Klimastreik.

Ich habe mich getraut. Schon seit längerem schreibe ich alle zwei Wochen einen Text darüber, was passiert ist, wie es mir dabei erging, was mich wütend gemacht und was mich positiv überrascht hat. Bis jetzt konnte ich mich nie überwinden, diese Texte jemandem zu zeigen, aber der globale Klimastreik vergangenen Freitag hat mich überzeugt, dass es an der Zeit ist, meine Komfortzone zu verlassen. Also hier bin ich. C’est parti!

Hoffnung. Hoffnung, dass alles doch noch gut wird. Dass unsere Regierung die 1,5°-Grad-Grenze nicht überschreitet, dass wir unser fossiles Wirtschaftssystem doch noch überwinden und wir einen Systemwandel hin zu einer solidarischen Gesellschaft schaffen. Doch diese Hoffnung habe ich in den letzten Jahren meines Aktivismus immer wieder verloren. So oft sitze ich in der Schule meine Zeit ab und denke darüber nach, dass es wahrscheinlich nichts mehr wird. Dass ein Grossteil unseres Planeten unbewohnbar wird, dass es Millionen an Klimaflüchtlingen geben wird und das sechste Artensterben unaufhaltbar weiterrollt. Aber trotzdem mache ich weiter und hin und da finde ich an gewissen Tagen auch wieder etwas Hoffnung – und genau so ein Tag ist heute. Ihr alle gebt mir Mut weiterzumachen, zu sehen, dass es immer noch so viele junge Menschen gibt, die seit 4 Jahren immer wieder und immer wieder an Klimastreiks kommen und unerbitterlich weiterkämpfen und unsere Vision für eine lebenswerte Zukunft für alle nicht aufgeben.

Das ist ein Ausschnitt aus meiner Rede vom globalen Klimastreik vergangenen Freitag. In über acht Schweizer Städten wurde demonstriert, in Bern war es sogar die grösste Klimademonstration seit Beginn der Pandemie. Diese Stimmen von Unzufriedenheit und Machtlosigkeit vereinten sich aufs Mal zu einer lauten geballten Menschenmasse. Das Gefühl, den Kampf gemeinsam wieder aufzunehmen und auch wirklich den Mächtigen etwas entgegensetzen zu können, erfüllte mich. Die Ohnmacht dieser Generation war für einige Stunden gebrochen.

Illu: Zoe Nogier

Ob wir den Kampf gegen die neuen Gaskraftwerke gewinnen, steht noch offen. Aber was feststeht: Hier geht es jetzt weiter. Jeden zweiten Donnerstag wird es hier exklusiv beim IndieZ einen ganz persönlichen Einblick in mein Leben und die Klimagerechtigkeitsbewegung geben. Stay tuned.

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